Examenskurs übernimmt Neugeborenenstation

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Den Neugeborenen ganz nah: Mithilfe einer Puppe zeigen die Schülerinnen Michelle Damm (l.) und Anna Schaub, wie Babys richtig gewogen werden. Foto: Marie Graber/Uni-Klinikum Erlangen

Praxisprojekt bereitet angehende Kinderkrankenpflegekräfte auf Berufsalltag vor

Selbstständig Entscheidungen treffen, den Stationsalltag organisieren, Neugeborene versorgen – wenige Monate vor ihrem Examen übernahmen 22 Schülerinnen und Schüler der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nun zwei Wochen lang die Station Neonatologie 2 der Kinder- und Jugendklinik (Direktor: Prof. Dr. Joachim Wölfle) des Universitätsklinikums Erlangen. Das Praxisprojekt „Schülerinnen und Schüler leiten eine Station“ ist bereits seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der Pflegeausbildung am Uni-Klinikum Erlangen. Da beinahe die gesamte Ausbildungszeit des diesjährigen Abschlussjahrgangs von den pandemiebedingten Beschränkungen beeinflusst wurde, war der Stationsdienst in diesem Jahr eine besonders wichtige Erfahrung für die künftigen Pflegefachkräfte.

„Das Projekt ist für uns Auszubildende eine tolle Erfahrung, gerade jetzt, kurz vor dem Examen. So lernen wir, uns selbst zu organisieren und patientenorientiert zu arbeiten. Außerdem gibt es uns ein Gefühl dafür, wie gut wir die gelernte Theorie nun praktisch und unter realen Bedingungen anwenden können“, berichtet Examensschülerin Michelle Damm. Zusammen mit ihrer Kurskollegin Anna Schaub demonstriert sie an einer Babypuppe, wie Neugeborene gewogen werden. Direkt nach ihrem Realschulabschluss im Jahr 2019 haben die beiden 18-jährigen Schülerinnen ihre Ausbildung am Uni-Klinikum Erlangen begonnen.

Stationsalltag selbstständig meistern

In der ersten Woche des Praxisprojekts übernehmen examinierte Pflegekräfte die Einarbeitung der Auszubildenden. „In der zweiten Woche sind wir dann weitestgehend auf uns allein gestellt und sowohl für die Pflege der Babys als auch für alles Organisatorische auf der Station zuständig“ so Anna Schaub. Neben Gewichtskontrollen, Blutabnahmen, Wickeln, Baden und dem Vorbereiten von Medikamenten kümmern sich die Schülerinnen und Schüler beispielsweise auch um Aufnahmen und Entlassungen der kleinen Patientinnen und Patienten, um die Planung und Bestellung benötigter Milchflaschen sowie das Erstellen des Dienstplans. „Da wir versucht haben, die Wünsche aller Projektteilnehmenden zu berücksichtigen, war der Dienstplan für meine Stellvertretung und mich eine große Herausforderung“, berichtet Schülerin Victoria Leibbrandt, die während des Projekts die Rolle der Stationsleitung übernahm.

„Wir sind auch zuständig für die Kommunikation mit dem gesamten interprofessionellen Team und den Angehörigen unserer Patientinnen und Patienten“, ergänzt Michelle Damm. Die examinierten Kolleginnen und Kollegen auf der Station halten sich während des Projekts im Hintergrund, können aber bei Bedarf jederzeit eingreifen oder um Hilfe gebeten werden.

„So findet quasi ein Rollentausch statt. In den vergangenen beiden Jahren waren wir Azubis diejenigen, die dem Stationsteam bei der Arbeit meist nur über die Schulter geschaut haben. Das Gelernte jetzt selbstständig anzuwenden, ist herausfordernd, macht aber gleichzeitig total viel Spaß“, sagt Alexander Dotterweich. Der 20-Jährige ist der letzte männliche Auszubildende der Fachrichtung Gesundheits- und Kinderkrankenpflege am Uni-Klinikum Erlangen. Denn im Januar 2020 löste die neue Generalistische Pflegeausbildung mit dem Abschluss als Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann die bisherigen Ausbildungsgänge Kinderkrankenpflege, Krankenpflege und Altenpflege ab. Bewerberinnen und Bewerber mit einem besonderen Interesse an der Pflege von Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen können sich seitdem für den Ausbildungsschwerpunkt „Pädiatrische Versorgung“ entscheiden.

Berufspraxis statt Homeschooling

Trotz der besonderen Umstände aufgrund der Coronapandemie war die Ausbildung am Uni-Klinikum Erlangen – da sind sich die diesjährigen Examensschülerinnen und -schüler einig – die richtige Entscheidung. „Für uns alle war es natürlich oft nicht leicht, trotz Distanzunterricht am Ball zu bleiben. Unsere Lehrkräfte haben sich aber sehr viel Mühe gegeben und uns wirklich gut auf den Stationsdienst vorbereitet. Das Praxisprojekt zeigt uns jetzt, wie viel wir eigentlich schon können“, berichtet Alexander Dotterweich stolz. „Außerdem haben wir dank der Teamarbeit während des Projekts endlich eine richtige Klassengemeinschaft entwickelt, das war aufgrund der entfallenen praktischen Übungen während unserer Theoriephasen kaum möglich“, erinnert sich Victoria Leibbrandt. Bereits wenige Monate nach ihrem Ausbildungsbeginn im Herbst 2019 galten bundesweite Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen.

Besondere Momente

Als umso schöner erleben die Schülerinnen und Schüler nun die Zeit auf der Neugeborenenstation. „Besonders emotional sind hier die Tage, an denen ein Kind nach längerer Behandlung endlich nach Hause darf. Wir freuen uns natürlich mit, aber schließen unsere kleinen Patientinnen und Patienten mit der Zeit ja auch sehr ins Herz“, sagt Michelle Damm. „Die Entlassung bedeutet für uns also immer ein lachendes, aber eben auch ein weinendes Auge.“

Weitere Informationen:

Helga Bieberstein

09131 85-33120

helga.bieberstein(at)uk-erlangen.de

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