Sprechen leicht gemacht
50 Jahre Logopädie-Ausbildung in Erlangen
Logopäden helfen uns, richtig zu sprechen. Doch wie wird man überhaupt Logopäde? Zum 50-jährigen Bestehen der Erlanger Logopädie-Ausbildung haben wir Sabine Degenkolb-Weyers, fachliche Leiterin der Staatlichen Berufsfachschule für Logopädie am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum für Gesundheitsberufe Erlangen (BSZG) am UK Erlangen und Studiengangskoordinatorin des Bachelors of Science Logopädie an der FAU, gefragt.
Was lernen die Studierenden während eines Logopädie-Studiums?
Das Studium befähigt zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Durchführung von stimm-, sprech-, sprach-, schluck-, hör- und atemtherapeutischen Aufgaben über die gesamte Lebensspanne der Patienten.
Die Studierenden lernen, wie der menschliche Stimmapparat aufgebaut ist, wie Sprech- und Sprachstörungen entstehen und behandelt werden. Sie setzen sich auch damit auseinander, wie sie Menschen, die Probleme beim Schlucken und Essen haben, helfen können. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was ein Logopäde im späteren Berufsleben macht.
Grundlage für das Studium ist das Kompetenzprofil des Deutschen Bundesverbands für Logopädie (dbl), das logopädische Handlungsfelder wie Untersuchen und Diagnostizieren, Therapieren, Beraten und Vorbeugen vorgibt.
Unsere Studierenden sollen zu wissenschaftlich qualifizierten Therapeutinnen und Therapeuten und reflektierten Praktikern ausgebildet werden.
Seit 50 Jahren gibt es die Logopädie-Ausbildung nun in Erlangen und seit 2011 absolvieren die zukünftigen Logopäden sie in einem Studiengang. Damit gab es in Erlangen den ersten Logopädie-Studiengang in Bayern. Wo liegen die Unterschiede zwischen schulischer Ausbildung und Studiengang?
Momentan existiert der Modellstudiengang Bachelor Logopädie in Form einer Kooperation zwischen der Medizinischen Fakultät und der Berufsfachschule für Logopädie am BSZG Erlangen.
Berufsfachschulen sind aufgrund ihres Auftrags und ihrer Struktur keine Institutionen, an denen wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen und wissenschaftlich reflektierende Praktiker ausgebildet werden können. Um neue Behandlungsmethoden zu finden und zu realisieren, müssen die Logopäden aber ausreichend forschen können. Das kann nur an einer Universität geleistet werden. Im Moment wird dieser Erkenntnisgewinn mit ausländischen Studien erreicht, deren Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse jedoch nicht immer gegeben ist. Indem wir die Ausbildung auf einen Studiengang umgestellt haben, können wir die Therapie selbst an die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse anpassen und neue Behandlungswege direkt erforschen. Diese Therapien ermöglichen eine effektivere und effizientere logopädische Arbeitsweise und gewährleisten eine Steigerung der Versorgungsqualität für die Patienten. Die Kompetenzen können wir in einem wissenschaftlich ausgerichteten Studiengang vermitteln. Gleichzeitig bilden wir künftige Wissenschaftler im Bereich Logopädie aus.
Wie sieht die Ausbildung in Zukunft aus?
Wir fordern eine einheitliche Regelung, die sich für eine Logopädie-Ausbildung im Rahmen eines Studiums ausspricht – es darf keine Zwei-Klassen-Logopädie geben, da sich die Tätigkeiten am Patienten nicht unterscheiden. Die Ausbildung muss das „Beste aus beiden Welten“ umfassen: Forschungsergebnisse übernehmen, rezipieren, anwenden und eine eigene Forschungslandschaft in Deutschland schaffen. Bisher werden Logopäden meist an Berufsfachschulen ausgebildet, und es gibt nur wenige Studiengänge. Die praktische Logopädie-Ausbildung sollte in die Hochschullandschaft integriert werden. Auf diese Weise können wir Logopäden ausbilden, die behandeln und forschen können.
Österreich und die Schweiz haben in den vergangenen Jahren einen Transformationsprozess von Berufsfachschulen zu Hochschulen geleistet – das muss unser Vorbild in Deutschland sein. Deutschland ist das einzige Land in der EU, in dem Logopädie bisher nicht akademisch gelehrt wird. In Deutschland wird im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig geforscht. Das muss sich verändern, wenn eine patientengerechte, am neusten Forschungsstand ausgerichtete Versorgung gewährleistet werden soll.
Es sollten mehr Bachelor-Studiengänge und darauf aufbauende Masterstudiengänge mit logopädischen Professuren und dadurch die Möglichkeit zur Promotion und Habilitation geschaffen werden.
Wie verändern technische Neuerungen oder der gesellschaftliche Wandel den Beruf?
Die Herausforderungen für das Gesundheitssystem sind die steigende Zahl von alten und hochbetagten Menschen, die zunehmende Zahl an Multimorbiditäten und neurologischen Erkrankungen: Nach einem Schlaganfall müssen auch Erwachsene das Sprechen wieder neu lernen und viele ältere Menschen haben mit Schluckproblemen zu kämpfen.
Ebenso spielt die Digitalisierung von Kommunikations- und Versorgungsstrukturen eine wichtige Rolle – all das erfordert veränderte Kompetenzen und somit innovative Ausbildungsstrukturen. Unser Modellstudiengang konnte viele dieser Themen in den Studienverlauf aufnehmen, und somit erlangen die Studierenden diesbezüglich auch veränderte Kompetenzen.
Studieninteressierte können sich im November 2018 für das Wintersemester 2019/20 bewerben.
Weitere Informationen
Sabine Degenkolb-Weyers, M.A.
Tel.: 09131/85-32619