Forscherteam klärt Krankheitsmechanismen bei spastischer Lähmung auf

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Stammzellen als Fenster ins Gehirn

Das Forscherteam der Nachwuchsforschergruppe 3 am Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) unter der Leitung von Prof. Dr. B. Winner hat wichtige Schritte bei der Behandlung einer spezifischen Form von erblichen spastischen Querschnittslähmungen gemacht. Diese neurodegenerativen Erkrankungen sind nicht heilbar. Dem Team gelang es, in einem humanen Zellkultursystem patienteneigene Vorläufer von Nervenzellen mit einer Substanz zu behandeln, die einen positiven Effekt auf die Zellen hatte. Die Wissenschaftler hoffen mit den Ergebnissen langfristig eine Therapie entwickeln zu können.

Genmutation als Auslöser für Lähmungen

Durch eine Mutation des Gens SPG11 kommt es zur spastischen Querschnittslähmung, der sogenannten hereditären Spastischen Paraplegie (HSP). Spezifisch für dieses Gen ist, dass es neben der spastischen Querschnittslähmung zu kognitiven Einbußen kommt. Diese vererbbare Erkrankung gilt als unheilbar. Sie beginnt im Kindes- und Jugendalter und zeigt sich voll ausgeprägt dann spätestens im jungen Erwachsenenalter. Kinder, die daran leiden, erreichen wichtige Stufen der körperlichen und geistigen Entwicklung später als ihre gesunden Altersgenossen. Bereits im frühen Erwachsenenalter treten kognitive Probleme bei der Bewältigung von komplexen Alltagsaufgaben auf. Erst danach bemerken die Patienten Unsicherheit beim Gehen durch Beinschwäche, die sich im weiteren Verlauf häufig zunimmt – der Patient ist auf einen Rollstuhl und fremde Hilfe angewiesen.

Einige wichtige Schritte auf dem Weg zur Heilung der Krankheit hat jetzt eine FAU-Forschergruppe mit Hilfe von Förderung der Tom-Wahlig Stiftung, der weltweit ersten Stiftung für HSP, gemacht. Die Patienten, die an der Studie teilgenommen haben, werden in der Abteilung für Molekulare Neurologie von Prof. Dr. J. Winkler und PD Dr. Z. Kohl betreut. Hier wurde betroffenen Patienten und gesunden Personen eine kleine Hautprobe am Oberarm entnommen. Diese Zellen wandelten die Forscher in sogenannte pluripotente Stammzellen um. Das sind Körperzellen, die sich in jeglichen anderen Zelltypus verwandeln können. Für die aktuelle Studie wurden die Stammzellen in patienteneigene Vorläuferzellen von Nervenzellen verwandelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Nachwuchsgruppe 3 des IZKF gelang zunächst der Nachweis, dass sich diese Nervenzellen-Vorläuferzellen dieser Patienten weniger häufiger teilten als gesunde.

Biochips und potente Substanzen

„Dass sich gesunde Zellen häufiger teilen als kranke, konnten wir auf Störungen während der Zellentwicklung zurückführen und den dafür notwendigen Signalweg in der Zelle identifizieren“, erklärt Dr. H. Mishra, der mit diesem Thema promovierte. Diese Entdeckung gelang mittels Genchip-Analyse, die das Humangenetische Institut durchführte. Dies ist ein hochkomplexes Verfahren, um gleichzeitig mehrere Tausend Gensequenzen zu testen und miteinander vergleichen zu können.

Im weiteren Verlauf des Forschungsprojekts konnte die Gruppe um Prof. Dr. B. Winner schließlich zeigen, dass die krankheitsspezifischen Auffälligkeiten in den Nervenzellvorläuferzellen wiederhergestellt werden konnten. Dies machte eine Substanz namens Tideglusib möglich. Dieser hochpotente Wirkstoff wird derzeit für eine mögliche Alzheimer-Therapie getestet. Dort unterbindet er auf molekularer Ebene chemische Vorgänge, bei denen man davon ausgeht, dass sie bei den kognitiven Prozessen eine wichtige Rolle spielen. Ein Wermutstropfen bleibt dennoch, denn vorerst ist das Vorgehen der Wissenschaftler nicht therapeutisch einsetzbar.

Wir hoffen aber, dass unsere Forschung durch die Etablierung solcher Krankheitsmodelle auf Basis menschlicher Nervenzellen es ermöglicht, neue Substanzen zu entdecken und testen und wir den betroffenen Patienten helfen können.

sagt Prof. Dr. B. Winner, Leiterin der IZKF-Nachwuchsforschergruppe 3 und Professorin für Stammzell-Modelle seltener neuraler Erkrankungen am Humangenetischen Institut.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Beate Winner

Tel.: 09131/85-39301